Dr. Thomas Helbing, Anwalt für IT- und Datenschutzrecht hat sich die Stellungnahme der deutschen Datenschutzbehörden, die diese vor zwei Tagen veröffentlichten, zum Anlass genommen, um diese Thematik genauer zu beleuchten und Handlungsempfehlungen zu geben.

WAS BEDEUTET DAS SAFE HARBOR URTEIL?

Die Übermittlung von personenbezogenen Daten in die USA kann nicht mehr auf Safe Harbor gestützt werden. Das gleiche gilt wenn US Unternehmen Zugriff auf personenbezogenen Daten gewährt wird.
Betroffen sind Übermittlungen an Konzerngesellschaften in den USA, etwa im Falle zentraler HR-Systeme oder Kundendatenbanken.
Viel häufiger relevant sein dürfte die Nutzung von US Cloud- oder anderen Onlinedienste-Anbietern etwa,

  • Google Produkte wie Google Analytics
  • CRM Systeme wie z.B. von Salesforce
  • E-Mail Marketing Dienstleister wie Mailchimp
  • Cloud Services wie die von Amazon oder Microsoft
  • Kommunikationsdienste wie Skype oder Arcadin

Achtung: Betroffen ist auch die Nutzung von Diensten deutscher oder europäischer IT Dienstleister, sofern diese ihrerseits auf US-Dienstleister zurückgreifen. Beispiel: Ein deutscher „Software as a Service“ Anbieter nutzt für das Hosting Amazon Cloud Services in den USA.
In der Regel ist derzeit die einzige Lösungsmöglichkeit, mit den Unternehmen in den USA Verträge gemäß den EU Standardvertragsklauseln abzuschließen. Das sind von der EU Kommission vorgegebene Musterverträge.
Dabei ist als Besonderheit zu beachten: Wenn ein deutsches Unternehmen (Kunde) einen deutschen IT Dienstleister nutzt, der seinerseits als Subdienstleister ein US Unternehmen (z.B. Amazon Cloud Services) einsetzt, genügt es nach Ansicht der deutschen Behörden nicht, wenn der Dienstleister einen EU Standardvertrag mit dem US-Unternehmen schließt. Vielmehr benötigt der Kunde selbst einen direkten Vertrag mit dem US-Unternehmen!
Die deutschen Datenschutzbehörden sehen allerdings infolge des EuGH Urteils auch die Standardvertragsklauseln als „in Frage gestellt“ an. Die Gründe mit denen der EuGH die Safe Harbor Entscheidung für unwirksam erklärt hat, gelten nämlich in Teilen auch für die EU Standardvertragsklauseln, insbesondere die fehlende Rechtsschutzmöglichkeit durch Betroffene und der Datenzugriff durch US Geheimdienste.
Theoretisch denkbar wäre auch die Einholung von Einwilligungserklärungen. An deren Wirksamkeit werden jedoch hohe Anforderungen gestellt. Nach der genannten Position der deutschen Datenschutzbehörden kann die Einwilligung nur „unter engen Bedingungen eine tragfähige Grundlage sein“. Grundsätzlich dürfe der Datentransfer auf Basis einer Einwilligung „nicht wiederholt, massenhaft oder routinemäßig“ erfolgen.
Für konzerninterne Übermittlungen kommt noch das Instrument der Binding Corporate Rules in Betracht. Dieses ist jedoch aufwändig in der Umsetzung (Details dazu in meinem Beitrag hier) und wurde von den deutschen Behörden nach dem EuGH Urteil ebenfalls für US-Transfers in Frage gestellt.

WAS IST KONKRET ZU TUN?

1) Ermitteln Sie, inwieweit Ihr Unternehmen personenbezogene Daten in die USA transferiert bzw. US Unternehmen Zugriff gibt.
Achten Sie dabei neben konzerninternen Transfers vorallem auf die Nutzung von US Online-Angeboten.
Prüfen Sie auch, ob Ihre deutschen IT Dienstleister auf US-Dienstleister zurückgreifen. Lesen sie dazu ihre entsprechenden Auftragsdatenverarbeitungsverträge mit den Dienstleistern sowie dessen Datenschutzhinweise auf der Webseite oder fragen Sie einfach nach.     
2) Sofern noch nicht vereinbart:  Fragen Sie bei den Anbietern nach dem Abschluss von EU Standardvertragsklauseln.
Beginnen Sie dabei mit den besonders unternehmenskritischen Datentransfers, bei denen eine Untersagung besonders belastend wäre. Beachten Sie, dass Sie bei Auftragsdatenverarbeitungen oder Mitarbeiterdaten ggf. zusätzliche Klauseln zu den EU Standardverträgen benötigen (siehe dazu meinen früheren Beitrag hier).

WIE SCHÄTZEN SIE DIE SITUATION EIN?

Das Urteil stellt Unternehmen wie Datenschützer (einschließlich Behörden) vor Herausforderungen. Wer auf Datentransfers in die USA nicht gänzlich verzichten kann oder will muss ein gewisses rechtliches Restrisiko in Kauf nehmen. Der Abschluss von EU Standardvertragsklauseln ist dringend anzuraten, hilft das Risiko zu reduzieren, schließt es aber nicht vollständig aus und muss unter Umständen schon bald durch neue Vereinbarungen ersetzt werden.
Die EU Datenschutzbehörden haben eine Art Schonfrist bis Ende Januar 2016 ausgesprochen und Standardvertragsklauseln ausdrücklich als zunächst weiterhin verwendbar erklärt. Die deutschen Behörden sind dem in ihrem Positionspapier nicht gefolgt. Soweit sie Kenntnis über ausschließlich auf Safe-Harbor gestützte Datenübermittlungen in die USA erlangen, werden sie diese untersagen, so ihre Ankündigung.
Zu beachten ist, dass die deutschen Aufsichtsbehörden Teils unterschiedliche Auffassungen vertreten, das Positionspapier also nur den kleinsten gemeinsamen Nenner darstellt. So vertritt das ULD, die Aufsicht in Schleswig Holstein, in seinem Positionspapier vom 6. Oktober 2015 die Meinung: „In konsequenter Anwendung der Vorgaben des EuGH in seinem Urteil ist eine Datenübermittlung auf Basis von Standardvertragsklauseln nicht mehr zulässig.“ Auch ihr Unternehmenssitz spielt insofern bei der Risikobeurteilung eine Rolle.
Die Entwicklung ist in den kommenden Monaten weiter sorgfältig zu beobachten. Das „Wackeln“ der Standardvertragsklauseln betrifft Transfers nicht nur in die USA, sondern in alle Drittstaaten.
Aus vertragsrechtlicher Sicht empfehle ich – jedenfalls in Neuverträgen und bei Vertragsverlängerungen – das Thema Datentransfers in Drittstaaten zu adressieren und ein Sonderkündigungsrecht aufzunehmen, falls der Anbieter bei neuen Entscheidungen von Gerichten oder Aufsichtsbehörden keine für den Kunden akzeptable Lösung bietet oder bieten kann.

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