Amazons Haushaltsroboter ist ein Datenschutzdesaster

Es ist ja so: Der Haushaltsroboter bleibt dir im Sturme treu, der Mensch nicht mal im Winde. Oder hatten Sie schon mal einen Haushaltsroboter, der geklaut hat? Nein? Gut, das kann sich bald ändern, denn Astro kommt. Astro ist das niedliche Haushaltshelferlein aus dem Hause Amazon. Und genau wie seine große Schwester Alexa verfügt er über Fähigkeiten, die erstmal toll klingen, aber teilweise auch ganz schön spooky sind. Im Wesentlichen besteht Astro aus einer Kamera, die dazu dient, die Wohnung zu überwachen. Er kann aber auch Videoanrufe tätigen, Musik abspielen, erkennen, in welchem Raum er sich befindet und seine Besitzer mit Hilfe von Gesichtserkennung unterscheiden. „Wie cool!“, mögen viele meinen, „ein Roboter, der alle Hausbewohner erkennt! Das ist ja wie ein schlaues Haustier! Oder ein Butler, der nicht entlohnt und nett behandelt werden muss!“ Und jetzt kommt’s:  Astro kann einem sogar ein Bier bringen! Ein niedlicher Sklave, der aufpasst und für Spaß sorgt – was will man mehr?
Etwas heikel ist, dass Astro so seine Probleme mit Privatheit hat. Er ist ein einziges Datenschutzdesaster, ein Einfallstor für alle möglichen Schurkereien und ein übereifriger Datensammler. Aber wer kann dem niedlichen Kerlchen, das wie ein Staubsauger mit Tabletkopf und Kulleraugen aussieht, schon irgendwas verübeln? Wir Menschen sind so gemacht, dass wir auf das Kindchenschema hereinfallen. So gut wie immer. Zwei stilisierte Kulleraugen auf einem Display reichen vollkommen aus, um uns einzuwickeln. Den hässlichen Staubsaugerkörper darunter nehmen wir dann gar nicht mehr wahr. In den 1940er Jahren gab es eine Vision von einem Roboter namens „ROLL-OH“. Den entsprechenden Werbefilm kann man sich auf Youtube ansehen. ROLL-OH war gruslig. Er war eckig und größer als ein Mensch – ein traditioneller Roboter eben, der nichts Niedliches an sich hatte, sondern als kantige, wankende Blechbüchse imaginiert wurde, die den Postboten in die Flucht schlägt. Astro ist anders. Er hat einen netten Namen und wird auf diese Weise ganz schnell vom staubsaugerartigen Gefährt zum Gefährten.
Die Vermenschlichung von Gegenständen hat nicht nur Tradition, sondern auch eine soziale Funktion. Vor allem einsamen Menschen können als belebt wahrgenommene Objekte dabei helfen, sich besser zu fühlen. In dem im Jahr 2000 erschienen Film „Cast Away“ (dt. „Verschollen“) mit Tom Hanks in der Hauptrolle, wird wunderbar gezeigt, wie sehr wir Menschen uns nach Bindung sehnen. In der Robinsonade wird der auf einer einsamen Insel gestrandete FedEx-Angestellte Chuck Noland fast verrückt – bis er Wilson trifft. Wilson ist ein Volleyball, der durch die blutige Hand des Protagonisten ein Gesicht verpasst bekommt und so zum Leben erweckt wird. Als Wilson auf der Floßfahrt ins Meer fällt und abtreibt, dreht Noland völlig durch. Der Verlust von Wilson bedeutet für ihn den Verlust seines besten und einzigen Freundes. Wilson war sogar noch zuverlässiger als ein menschlicher Gefährte, der bösartig hätte sein können und vielleicht Bedürfnisse hätte haben können, die nicht mit den eigenen vereinbar gewesen wären. Das ist das Schöne an Objekten: Sie sind selbst nicht handlungsfähig. Wir können sie zu allem machen, was wir gerade wollen.
Und hier liegt auch eine der großen Gefahren, die von Astro ausgehen. Wir lieben ihn und deshalb vertrauen wir ihm. Wir lassen ihn in jeden Winkel unserer Häuser blicken, gewähren ihm Zugang zu den privatesten Orten unseres Alltags und wir denken uns nichts anderes dabei als: „Süüüüß!“
Doch Astro ist nichts als kalte, klare Technik, versetzt mit einer ordentlichen Prise verhaltenspsychologischer Manipulationstechniken. Wir können mit Astro kommunizieren, ihm in seine unschuldigen Kreisaugen gucken und völlig ausblenden, dass er Daten sammelt, die zum Beispiel Unbefugten dabei helfen können, uns auszuforschen. Sich eine rollende Überwachungskamera ins Haus zu holen, klingt absurd. Sobald wir ihr aber zwei Kulleraugen hinzufügen, haben wir plötzlich kein Problem mehr damit.
Bevor Astro einzieht, sollte sich also jeder die Frage stellen: „Ist es für mich okay, wenn das, was Astro sieht und hört, vielleicht in die Hände von Unbefugten gerät?“ Wenn sie diese Frage ohne mit der Wimper zu zucken mit „JA!“ beantworten können, kann ich nur antworten: „Na, dann nix wie los! Astro ist ein tolles Spielzeug!“

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