Ende letzten Jahres führten zwei bekannte Unternehmen in Deutschland testweise Videoanalysesysteme ein: Die Deutsche Post und die Supermarktkette real. Dabei werden die Gesichter der Kunden, die im Wartebereich Werbung auf Großbildschirmen betrachten, über dort installierte Kameras gescannt. Die Idee dahinter: Zielgruppengerechte Werbefilme oder Anzeigen im Markt für den einzelnen Kunden auszustrahlen, und so den Umsatz dafür steigern zu können. Doch jetzt ist Schluss damit.

STRAFANZEIGE GESTELLTT

Kritiker befürchten, dass der „gläserne Kunden“ nun noch durchsichtiger werden wird und Datenschützer sehen einen massiven Eingriff in die Privatsphäre. Eine deutsche Datenschutzorganisation hat nun Strafanzeige gegen die beiden Unternehmen gestellt. Während die Aufzeichnungen bei der Post weitergehen stoppt real nun die Testphase in ihren Filialen.

ALTER, GESCHLECHT UND BLICKKONTAKT

In 40 der bundesweit 285 Märkte des Handelsunternehmens real wurden Kameras an Werbebildschirmen dazu genutzt mittels einer Software zur Gesichtserkennung das Alter des Kunden zu schätzen, das Geschlecht zu bestimmen und die Dauer des Blickkontakts zu analysieren, während dieser eine Werbeanzeige verfolgt. Mal ganz abgesehen davon, dass man sich hier wieder mal der klassischen Stereotypen bedient würde dann der jungen Kundin beispielsweise eine Werbung für das neueste Beauty-Must-Have angezeigt, während der braun gebrannte Herr in den Besten Jahren einen Werbefilm für den neuesten Sportwagen mit offenem Verdeck präsentiert bekommt. Dazu wird Software genutzt, die ursprünglich vom Fraunhofer-Institut entwickelt wurde. Damit wird in kürzester Zeit das Verhalten der Kunden analysiert und aufgenommene Gesichtsbilder ausgewertet.

PRIVATSPHÄRE IN GEFAHR?

Da die Kunden in Deutschland im internationalen Vergleich für das Thema Datenschutz und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung stark sensibilisiert sind, versicherte die Real-Sprecherin Alja-Claire Dufhues zeitnah nach der Einführung, dass keine personenbezogenen Daten erhoben werden und durch den Einsatz der Software keine Rückschlüsse auf die einzelne Person gezogen werden können. Zusätzlich würden durch die Software keine Daten gespeichert, sondern das entsprechende Gesichtsbild sofort nach erfolgter Analyse gelöscht.
Trotzdem hagelte es von Anfang an zu allererst Kritik für die Tatsache, dass in keinem der Märkte neben der allgemeinen Tafel zur Videoüberwachung die Kunden auf die Videoanalyse und die zu diesem Zweck installierten Kameras hingewiesen wurden. Daraus ergibt sich für die Datenschützer eine massive Verletzung der Privatsphäre, da die Kunden dadurch nicht die Möglichkeit erhalten, sich dem Ganzen zu entziehen. Und auch die niedersächsische Landesdatenschutzbehörde steht der durchgeführten Gesichtsanalyse kritisch gegenüber, da ihrer Ansicht nach Videoaufnahmen durchaus Rückschlüsse auf sensible personenbezogene Daten zulassen: Etwa wenn man die Aufnahmen mit Zeitstempel versieht und diese mit Informationen der Kassensysteme – etwa bei Nutzung von Kundenkarten – koppelt wäre eine Identifizierung einzelner Personen möglich. Die Datenschutz-Organisation Digitalcourage e.V. stellte letztendlich Strafanzeige und geht davon aus, dass ein entsprechendes Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet wird.

KEINE EINSICHT

Obwohl real daraufhin das Testprojekt gestoppt hat erklärt die Supermarktkette, die Einhaltung der Datenschutzrichtlinien jederzeit gewährleistet zu haben, was auch durch das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht im Prüfbericht vom 9. Juni bestätigt worden wäre. Und auch die deutsche Post, die genauso wie real die Videoanalyse für die Verbesserung Ihrer Werbemaßnahmen in einigen Filialen nutzt, sieht keine datenschutzrechtlichen Verletzungen und fährt mit ihrem bisherigen Pilotprojekt fort.

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