Verantwortungsbewusstsein ist derzeit nicht gerade der angesagteste Wert. Spaß ist ja auch viel unterhaltsamer und generiert deutlich mehr Aufmerksamkeit. Wer sich mit Schokoglasur übergießt und dann in einen übergroßen Kühlschrank stellt, wird gefeiert (vgl. https://www.youtube.com/watch?v=cUZJl-k-zvQ) und mit über drei Millionen Klicks belohnt. Wer darüber aufklärt, wie „Handydienste den Datenschutz aushöhlen“
(vgl. https://www.youtube.com/watch?v=H-mhuHMFqCU), kann sich immerhin über knapp ein Dreißigstel an Aufmerksamkeit (100.000 Klicks) freuen. So sind nun mal die Prioritäten. Schutzmaßnahmen gelten bei vielen immer noch als reichlich unsexy. Fahrradhelme, Kondome, Datenschutz. Und das, obwohl kein Mensch einen Schädelbasisbruch, Geschlechtskrankheiten oder Identitätsdiebstahl als wünschenswert einstufen würde. Kurz: Wir finden Datenschutz doof und lieben Datensicherheit. Immerhin! Wir betrachten Datensicherheit allerdings als Selbstverständlichkeit. Das Ding ist: Wer einen Kuchen haben will, muss ihn kaufen oder selber backen. Außer man hat zufälligerweise gerade Geburtstag. Geburtstag hat man aber auch nicht alle Tage. Und kaufen oder backen, gilt vielen immer noch als lästig, beziehungsweise anstrengend. Darauf scheinen wir uns bereits geeinigt zu haben.

Am Wochenende hatte mein Dackel „Rücken“. Er musste in die Tierklinik und dort sollte ich eine Datenschutzerklärung unterschreiben. Diese wurde mir von einer vom Gejaule und Gebell der siechen Tiere grundgenervten Sprechstundenhilfe mit den Worten „Hier, diese scheiß Datenschutzerklärung müssen Sie auch noch unterschreiben!“ vorgelegt. Es war nicht das erste Mal, dass ich dem Wort „Datenschutzerklärung“ in Kombination mit dem Wort „scheiß“ begegnet bin. Es war nicht einmal das erste Mal, dass ich in einem veterinärmedizinischen Kontext dem Wort „Datenschutzerklärung“ in Kombination mit dem Wort „scheiß“ begegnet bin! Was mir bisher noch kein einziges Mal untergekommen ist, waren Sätze wie: „Schauen Sie mal, wir geben uns mächtig Mühe, damit ihre Daten nur für die benötigten Zwecke verwendet werden. Wir übernehmen Verantwortung und passen auf! Cool, oder?“
Wenn ich meinen Hund in einer Tierklinik behandeln lasse, gehe ich mit dieser Klinik eine geschäftliche Beziehung ein. Und in Beziehungen spielen Vertrauen und Verantwortung eine maßgebliche Rolle. In privaten Beziehungen setzen wir natürlicherweise voraus, dass sehr persönliche Angelegenheiten, etwa die Größe des Gemächts, vertraulich behandelt werden und sich der Partner in dieser Hinsicht verantwortungsvoll verhält. Wer dann abfällig von einer „scheiß Vertraulichkeitskonvention“ sprechen würde, hätte vermutlich ein Problem. Vertrauen bedeutet nun mal Sicherheit und die ist in Beziehungen sehr gefragt. Warum zur Hölle nochmal wird dieser entscheidende Faktor in geschäftlichen Beziehungen immer noch so oft sträflich vernachlässigt? Natürlich möchte ich, dass mit meinen Daten verantwortungsvoll umgegangen wird! Dafür bin ich sogar bereit, eine Datenschutzerklärung durchzulesen und anschließend zu unterschreiben. Aber wenn mir mein Gegenüber die Datenschutzerklärung mit dem Attribut „scheiß“ verkauft, stelle ich schlichtweg fest, dass Datensicherheit nicht ernstgenommen und etwas nur gemacht wird, um gesetzlichen Vorschriften zu genügen.  Wo bleibt denn da die Leidenschaft für so positive Dinge wie Sicherheit und Vertrauen? Wo der Stolz darauf, Verantwortung zu tragen? Wo der Rapper, der Tugendhaft statt Haftbefehl heißt? Ich hoffe, dass die Leidenschaft im Lauf der Zeit noch aufflammen und sich der Verantwortungsstolz noch entwickeln und das dauernde Genöle ersetzen wird. Als in den 1970er Jahren in Deutschland die Anschnallpflicht eingeführt wurde, hieß es zunächst auch: „Moah, anschnallen – voll undufte!“ Mittlerweile können wir uns gar nicht mehr vorstellen, unangeschnallt zu fahren und falls wir es doch mal vergessen haben, weist unser Auto uns lautstark darauf hin. Ich stelle mir einen Datenschutzdetektor vor, der lautstark piept, wenn ich das nächste Mal gefragt werde, ob ich eine Deutschlandcard habe oder eine haben will.

TRANSPARENZ IST NICHT NUR BEI DESSOUS SEXY

Datenschutz ist wie ein Dessous. Beide Dinge bieten einen Schutz vor allzu lüsternen Blicken und sorgen durch Transparenz für ein gutes Gefühl beim Gegenüber. Kurz: Ein besonders guter Datenschutz ist ein klarer Geschäftsvorteil und sollte endlich auch als solcher betrachtet werden. Wer klar und verständlich erklärt, was er mit persönlichen Daten anstellt und keinen Missbrauch betreibt, ist selbstverständlich attraktiver als ein Bad Boy, der uns nur aushorcht und unser Vertrauen missbraucht. Und trotzdem fallen wir immer noch massenhaft auf Bad Boys herein! Warum eigentlich? Weil sie sich gut verkaufen können! Es ist an der Zeit, dass die positiven Werte, für die der Datenschutz steht, endlich von Unternehmen und den Medien aufgegriffen werden. In puncto Umweltschutz kriegen wir es ja mittlerweile auch schon gebacken, stolz auf Plastikverzicht und Nachhaltigkeit zu sein. Verantwortung ist sexy! Und Verantwortung kann nur übernehmen, wer sie auch tragen kann – sie steht damit symbolisch für Stärke und nicht dafür, dass sich jemand ohnmächtig irgendwelchen Gesetzen unterwirft. Und ganz genau so möchte ich Datenschutz zukünftig auch verkauft bekommen.

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