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© Bildagentur PantherMedia / Raveg
Google-Bewertungen und Datenschutz
Es ist ja so: Als Menschen haben wir ein ganz natürliches Rachebedürfnis, dem wir digital hervorragend gerecht werden können. Wenn uns in einem Dienstleistungskontext einer nur blöd von der Seite anschaut oder wir das Gefühl haben, dass das so sein könnte, sind wir nicht mehr dazu gezwungen, diesen Menschen anzusprechen und mal nachzufragen, sondern wir können eine Google-Bewertung schreiben und einen Stern vergeben. Am liebsten noch weniger, aber das geht – wie bekannt und oft beklagt („Ich würde am liebsten minus tausend Sterne geben!!!“) – ja leider nicht.
Wir wollen alles und jeden bewerten. Urteile bedeuten Macht. Der hessische Rundfunk veröffentliche kürzlich auf seiner Facebookseite eine Forderung eines fiktiven Kochs: „Ich fände ein Gästebewertungsportal für Gastronomen cool: „Herbert aus Dinslaken gibt schlechtes Trinkgeld, haut Ketchup aufs schönste Filetsteak und trägt Netzhemden zum Dinner. Keine Empfehlung. 1 von 5 Punkten.“ Markus H., Koch im Gasthof zur Linde.“
In den Kommentaren waren sämtliche in der Gastronomie beschäftigte Menschen begeistert und die Kollegen und Kolleginnen aus Einzelhandel und Handwerk sehnten sich ebenfalls nach Kundenbewertungen: „Das bräuchten wir auch als Handwerker!!! Eine Black Liste von Kunden, um andere Handwerker zu warnen!!! Wäre genial, aber daaaa greift natürlich Datenschutz, Verbraucherschutz etc.“
In der heutigen Zeit scheint es, als wären wir ganz scharf darauf, dem anderen mitzuteilen, was wir von ihm halten, ohne ihm direkt mitzuteilen, was wir von ihm halten. Stattdessen teilen wir es der ganzen Welt mit. Blaming und Shaming stechen Kommunikation. Auf diese Weise können wir bequem konfliktscheu sein und uns trotzdem ins Recht setzen. Danke Digitalisierung! Ein Kommentierender hat dies bei dem Gastronomenbeitrag ganz gut auf den Punkt gebracht: „Diese Google-Bewertungen sind die Spielwiese für all die wohlstandsdementen Schisser. Statt sich mal zu Wort zu melden wird dann schön bequem und anonym im Internet vom Leder gezogen. Bravo!“
Anwälte, die sich auf Reputationsrecht und –management spezialisiert haben, helfen Unternehmen dabei, allzu kritische Bewertungen löschen zu lassen. Hierbei wird gerne auch die DSGVO bemüht. Eine Löschung ist in der Regel kein großes Problem, wenn unwahre Tatsachenbehauptungen im Raum stehen. Das hat nichts mit Datenschutz zu tun, sondern mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Und dann gibt es auch noch einige Punkte, bei denen die DSGVO eventuell dabei helfen kann, unliebsame Bewertungen loszuwerden. Das Datenschutzrecht soll schließlich gewährleisten, dass personenbezogene Daten nicht ohne Rechtsgrundlage verarbeitet werden. Personenbezogene Daten umfassen dabei nicht nur Klarnamen und konkrete Angaben zu einer Person, etwa Mailadresse, Anschrift oder Telefonnummer, sondern auch Beschreibungen einer Person, die klare Schlüsse darauf zulassen, um wen es sich dabei handelt.
Wer also eine richtig deftige Bewertung schreiben möchte, der sollte darauf achten, die involvierten Personen möglichst schwammig oder überhaupt nicht zu beschreiben. Aber diesen Rat kann man sich eigentlich sparen, weil die meisten Menschen ohnehin mehr über sich selbst als über das Gegenüber, mit dem man ein Problem hat, berichten. Gerade wenn wir unsere Leidensgeschichte erzählen, geben wir oft mehr von uns preis als wir eigentlich wollen. Wir schießen über das Ziel hinaus, weil wir uns selbst in die Waagschale werfen, um auf diese Weise Druck zu erzeugen. Das Netz ist voller Bewertungen, in denen Menschen – oft unter ihrem Klarnamen – Informationen öffentlich mitteilen, die eigentlich ausgesprochen privat sind. Wer es nicht glauben will, kann gerne mal ein paar Ärztinnen und Ärzte in der Umgebung googeln. Ich habe zum Beispiel gerade herausgefunden, dass eine Frau, die im gleichen Dorf wohnt wie ich – und die mir auch namentlich bekannt ist – ein vier Monate altes Stillbaby hat und unter Eierstockkrebs leidet. Und das alles weiß ich nur, weil sie kürzlich eine Ärztin bewertete, die die Coronamaßnahmen ernst genommen hat. Bei Krankenhausbewertungen erfährt man komplette Krankengeschichten. Gesundheitsdaten zählen zu den besonders sensiblen Daten, die durch die DSGVO auch besonders geschützt sind. Wenn wir sie selbst im Netz veröffentlichen, tun wir das freilich freiwillig. Aber vielleicht sind wir uns nicht wirklich dessen bewusst, was das eigentlich bedeutet.
Vielleicht sollten wir wieder direkter kommunizieren lernen, um Probleme mit den Menschen, mit denen wir ein Problem haben zu lösen – und nicht mit dem Rest der Welt. Wenn ein Kunde seine Rechnung nicht bezahlt, wende ich mich schließlich auch an den Kunden selbst und beauftrage im Ernstfall ein Inkassounternehmen und nicht die Marketingabteilung, um die Sache zu regeln.
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