Neueste Beiträge
Archive
- Juli 2023
- April 2023
- März 2023
- Februar 2023
- Dezember 2022
- November 2022
- September 2022
- August 2022
- Juli 2022
- Juni 2022
- Mai 2022
- März 2022
- Januar 2022
- Dezember 2021
- November 2021
- Oktober 2021
- September 2021
- August 2021
- Juli 2021
- Juni 2021
- Mai 2021
- April 2021
- März 2021
- Februar 2021
- Januar 2021
- Dezember 2020
- November 2020
- Oktober 2020
- September 2020
- August 2020
- Juli 2020
- Juni 2020
- Mai 2020
- April 2020
- März 2020
- Februar 2020
- Januar 2020
- Dezember 2019
- November 2019
- Oktober 2019
- September 2019
- August 2019
- Juli 2019
- Juni 2019
- Mai 2019
- April 2019
- März 2019
- Februar 2019
- Januar 2019
- Dezember 2018
- November 2018
- Oktober 2018
- September 2018
- August 2018
- Juli 2018
- Juni 2018
- Mai 2018
- April 2018
- März 2018
- Februar 2018
- Januar 2018
- Dezember 2017
- November 2017
- Oktober 2017
- September 2017
- August 2017
- Juli 2017
- Juni 2017
- Mai 2017
- April 2017
- März 2017
- Februar 2017
- Januar 2017
- Dezember 2016
- November 2016
- Oktober 2016
- September 2016
- August 2016
- Juli 2016
- Juni 2016
- Mai 2016
- April 2016
- März 2016
- Februar 2016
- Januar 2016
- Dezember 2015
- November 2015
- Oktober 2015
- September 2015
- August 2015
- Juli 2015
- Juni 2015
- Mai 2015
- April 2015
- März 2015
- Februar 2015
- Januar 2015
- Dezember 2014
- November 2014

© Bildagentur PantherMedia / damedeeso
PISA TOP – DATENSCHUTZ FLOP
Die Finnen kennen ein eigenes Wort für das Phänomen, sich daheim allein in Unterhosen zu betrinken: Kalsarikännit. Es existiert sogar ein eigenes Emoticon dafür – das männliche Emoji trägt eine graue Unterhose mit Eingriff und betrinkt sich mit Bier, das weibliche hat einen rosa Badeanzug mit weißen Punkten an und nippt an einem Gläschen Wein. Die finnische Seele ist komplex und bedarf der sorgsamen Pflege – immerhin ist es im gesamten Land Monate lang kalt und dunkel draußen. 49% der Anträge auf Frühberentung werden wegen Depressionen gestellt. Einer Studie der OECD zufolge leidet jeder fünfte Finne unter einer psychischen Krankheit – Psychotherapie ist also ein wichtiges Thema im Land. Und weil die Finnen große Digitalisierungsfans sind, sprang der 2008 gegründete private Anbieter für Psychotherapie Vastaamo in die Bresche. Mittlerweile gibt es im Land 25 Vastaamo-Therapiezentren, in denen von etwa 300 Psychotherapeuten über 40.000 Patienten versorgt werden. Einstieg und Verlauf der Psychotherapie können einfach und unkompliziert im Netz geplant werden – die Therapeutensuche und -auswahl erfolgt online. Vastaamo steckte eine Menge Geld in die Vereinfachung komplexer Prozesse und leider kaum etwas in die Sicherheit. Das hippe Unternehmen hat in puncto Datenschutz und Datensicherheit so ziemlich alles falsch gemacht, was man falsch machen kann: Die sensiblen Gesundheitsdaten waren nicht verschlüsselt, die Datenbank ungesichert, das Root-Passwort schwach. Aber darüber machten sich die Verantwortlichen keine Gedanken. Wer sollte schon Interesse am Seelenleben von 40.000 Finnen haben? Um die Zahl mal ins rechte Licht zu rücken: Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung des Landes wären das 600.000 Menschen in Deutschland. Das muss man erstmal sacken lassen.
Ende Oktober meldete sich ein Hacker bei Vastaamo. Er gab an, die Datenbank mit sämtlichen Patientenakten bereits im November 2018 gehackt zu haben und forderte 40 Bitcoins, 450.000 Euro. Sollte sich das Unternehmen nicht auf diesen Deal einlassen, wurde mit einer Veröffentlichung der Daten im anonymen Tor-Netzwerk gedroht. Vastaamo zahlte nicht und der Erpresser fing tatsächlich damit an, zunächst täglich 100 Patientenakten zu veröffentlichen – nicht etwa pseudonymisiert, sondern mit allen relevanten Angaben. Bei den Betroffenen handelte es sich unter anderem um hochrangige Vertreter aus der Politik und aus den Reihen der Polizei. Eine 10 Gigabyte große Datei wurde ebenfalls einige Stunden lang veröffentlicht und mehrfach heruntergeladen. Sie enthielt Tagebücher, Diagnosen, minutiöse Notizen aus zahllosen Therapiesitzungen und Kontaktinformationen. Die Betroffenen wurden ebenfalls erpresst. 200 Euro sollten sie jeweils in Bitcoins zahlen, um eine Veröffentlichung der Daten zu verhindern. Neben den sensiblen Gesundheitsdaten geht es auch um die henkilötunnus oder sosiaaliturvatunnus (personbeteckning), eine Identifikationsnummer, die jeder Finne hat und die für Arztbesuche, das Finanzamt, Kontoeröffnungen und den Abschluss von Versicherungen benötigt wird. Wer also wirklich viel Pech hat, muss nicht nur um seine Integrität, sondern auch noch um seine Finanzen fürchten. Wer sich vor einem Missbrauch seiner Personennummer schützen möchte, muss mit acht verschiedenen Behörden telefonieren und für die Sperrung Gebühren bezahlen. Ob jemand, dessen Angaben aus Psychotherapiesitzungen möglicherweise im Netz veröffentlicht werden, dazu noch den Kopf hat, ist freilich fraglich.
KALSARIKÄNNIT BEIM CEO VON VASTAAMO
Vastaamo hat mittlerweile Konsequenzen aus dem digitalen Super-GAU gezogen und den CEO Ville Tapio entlassen, der offenbar bereits 2019 von dem Datenleck wusste. Doch den betroffenen Patienten hilft das im Moment auch nicht mehr. In einem Land, dessen Kultur eher von Zurückhaltung und Scheu geprägt ist, müssen nun tausende Menschen befürchten, öffentlich bloßgestellt zu werden. Auch für die Therapeuten ist es ein Schock, denn ihre Arbeit kann nur dann funktionieren, wenn in der therapeutischen Beziehung Vertrauen herrscht.
Was bedeutet das nun für Deutschland und die elektronische Patientenakte (ePA), die 2021 kommen soll? Ist es wirklich eine gute Idee, Gesundheitsdaten zentral zu speichern? Gehören derart sensible Daten nicht ausschließlich in die Praxis des Psychotherapeuten? Auf alle Fälle muss gerade in solch sensiblen Zusammenhängen auf höchste Sicherheit geachtet werden. In Zeiten der Digitalisierung ist Effizienz nun mal lange nicht alles. Das hat die Causa Vastaamo gezeigt. Ohne vernünftige Datenschutz- und Datensicherheitsmaßnahmen können ganz konkret Menschenleben gefährdet werden – das klingt im Zusammenhang mit dem digitalen Desaster, das sich in Finnland ereignet hat, kein bisschen übertrieben.
Ein ganzes Land ist in einen Zustand der Verunsicherung gestürzt worden. Es wird sogar vermutet, dass der Hacker aus Geheimdienstkreisen kommt. Möglicherweise soll der russische Geheimdienst ein Interesse daran haben, das Vertrauen in die Datensicherheit zu zerrütten. Im Moment ist aber vieles noch unklar. Und das ist genau das, was zu einer derart starken Verunsicherung führt.
Wir sollten daraus die Lehre ziehen, endlich die Bedeutung von Datenschutz und Datensicherheit anzuerkennen.
Ähnliche Artikel
Die Datenschutzkolumne...
DIE DSGVO UND DIE WIENER KLINGELSCHILDAFFÄRE Sobald in den Medien über den...
- By Sigrid Grün
- Die Datenschutz Kolumne
Datenschutzkolumne: Krank in...
Kennen Sie den? Neulich im Wartezimmer. Der Lautsprecher knistert und es folgt eine...
- By Sigrid Grün
- Datenschutz
DIE DSGVO – DER...
Das gibt’s doch nicht! Jetzt nimmt die Datenschutz-Grundverordnung unseren Kindern auch...
- By Sigrid Grün
- Die Datenschutz Kolumne