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VON SPANNERCAMS UND ÜBERWACHUNGSBÄREN

An der öffentlichen Badestelle, an der ich regelmäßig schwimmen gehe, steht ein Saunahaus, hinter dem man sich hervorragend umziehen kann, weil es einen vor den Blicken der Spaziergänger, die auf dem wenige Meter entfernten Wanderweg vorbeiflanieren, verbirgt. Total praktisch eigentlich. Das hat sich der Saunahausbesitzer wohl auch gedacht und eine Kamera an dem Saunahäuschen angebracht. Diese filmt die Wiese bei der Schwimmstelle – und natürlich alle, die sich dort umziehen. „Kreuzschockschwerenot!“, dachte ich, als mir bewusst wurde, dass mir die Kamera noch nie aufgefallen war, sich aber schon länger dort befinden musste, weil eine Amsel ihr Nest darüber gebaut hatte. Mein zweiter Gedanke war natürlich: „Das darf der doch gar nicht!“ Und mein dritter: „Ich hau dem die Spannercam in Trümmer!“ Das hab ich natürlich nicht gemacht, weil das Sachbeschädigung wäre. Aber geärgert habe ich mich schon. Und ich werde den älteren Herrn, der herrlich laut fluchen kann, demnächst auch darauf ansprechen. Der darf das nämlich wirklich nicht.
Videoüberwachung – und selbst die Nutzung einer Attrappe – sind nicht ohne Weiteres zulässig. Auch in privaten Kontexten müssen dabei einige Dinge beachtet werden. Auf dem eigenen, allein genutzten Grundstück ist eine Videoüberwachung grundsätzlich kein Problem, da dies durch die Wahrnehmung des Hausrechts gedeckt wird. Allerdings endet das Hausrecht an der Grundstücksgrenze. Nachbargrundstücke oder der öffentliche Raum dürfen also nicht überwacht werden. Es darf auch nicht der Eindruck entstehen, dass eine Überwachung außerhalb der Grundstücksgrenzen erfolgt. Kameraattrappen erzeugen nämlich ebenfalls Überwachungsdruck, weil sie uns das Gefühl der Freiheit und Unbeschwertheit nehmen. An einer Grundschule, in der die Kinder regelmäßig die Toiletten geflutet hatten, wurden eines Tages Teddybären in die Klokabinen gehängt, die auf einem Schild erklärten: „Hier wache ich! Euer Saubär!“ Die Folge waren weinende Kinder, die nicht mehr auf die Toilette wollten und sogar einnässten, weil sie so viel Angst vor dem Überwachungsbären hatten. Kein Witz! Überwachungsbären sind zwar eine rechtliche Grauzone, aber ethisch nicht korrekt.

DSGVO – UNTERSTÜTZT LEIDENSCHAFTLICHE POPLER SEIT 2018

Videoüberwachung dient in der Regel nicht der Überwachung von Schwimmern, die sich leichtgläubig entblättern, sondern dem Schutz vor Einbruch, Vandalismus und Diebstahl. Die DSGVO widmet sich dem Thema zwar nicht gesondert, aber in Art. 6 Abs. 1 lit. f geht es um „die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person“, die nur in ganz bestimmten Fällen den „berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten“ untergeordnet werden können. Dabei darf kein Verstoß gegen die datenschutzrechtlichen Grundsätze aus Art. 5 Abs. 1 DSGVO vorliegen, z.B. gegen den „Grundsatz der Verarbeitung nach Treu und Glauben“. Was nach „auf die Bibel schwören“ klingt bedeutet eigentlich nur, dass die Daten lediglich so verarbeitet werden dürfen wie angegeben. Es darf auch keine verdeckte oder geheime Verarbeitung stattfinden. Das heimliche Filmen von öffentlichen Badestellen ist dadurch also definitiv nicht gedeckelt, zumal an keiner Stelle ein Hinweis auf die Videoüberwachung erfolgt.
Besonders heikel ist die Überwachung des öffentlichen Verkehrsraums. Verkehrsüberwachung darf nur die Polizei. Es ist also auch nicht zulässig, das eigene, an der Straße parkende Fahrzeug mit einer Kamera zu überwachen. Lediglich in ganz wenigen Ausnahmefällen, in denen es zwingend notwendig ist, auch eine öffentliche Verkehrsfläche per Kamera zu erfassen, etwa wenn es um den Schutz einer Gebäudefassade vor Graffitis geht, ist dies in geringem Umfang (maximal ein Meter und Passanten müssen die Möglichkeit haben, sich dem überwachten Bereich zu entziehen) zulässig. Dann muss auf alle Fälle auf die Überwachung hingewiesen werden – und zwar nicht nur durch eine schnöde „Dieser Bereich wird videoüberwacht“-Tafel. Art. 13 Abs. 1 und 2 DSGVO nennen eine Reihe von Mindestanforderungen, die u.a. folgende Informationen umfassen: Den „Namen und die Kontaktdaten des Verantwortlichen sowie gegebenenfalls seines Vertreters“, „gegebenenfalls die Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten“ (hat man privat eher nicht), „die Zwecke, für die die personenbezogenen Daten verarbeitet werden sollen, sowie die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung“, „die berechtigten Interessen, die von dem Verantwortlichen oder einem Dritten verfolgt werden“, „die Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer“ usw.
Selbst auf dem eigenen Grundstück sollte auf eine Videoüberwachung hingewiesen werden, weil Postboten und Besucher schließlich auch wissen möchten, ob sie beruhigt in der Nase bohren können oder nicht.
Videoüberwachung ist also auch in privaten Kontexten keine einfache Sache. Und man sollte stehts über Alternativen nachdenken. Bewegungsmelder oder eine Oma mit Schrotflinte haben eine ähnlich abschreckende Wirkung, sind aber datenschutzrechtlich unbedenklich.

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