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Treue ist was Schönes, wenn der Mensch davon profitiert. Wer treu ist und nix davon hat, kommt sich in unserer Kultur wie ein Depp vor, weil wir für alles belohnt werden wollen. Wir sind ja keine Ritter oder Soldaten, die treu sind, weil das als Wert an sich gilt. Treuepunkte sind eine wunderbare Belohnung, weil der Mensch nun mal gerne sammelt und was geschenkt bekommt. Wenn es möglich wäre, in einer Beziehung Treuepunkte zu sammeln und dafür belohnt zu werden, zum Beispiel mit einem Blumenstrauß, einer Massage oder mit einem leckeren Kuchen, dann würde das sicher viele freuen, weil sie sich endlich das, was sie sich wünschen, kraft ihres eigenen Verhaltens redlich verdienen könnten. In einer Zeit, in der das bedingungslose Grundeinkommen mehr Befürworter als die bedingungslose Liebe hat, wäre das bestimmt ein Konzept, mit dem viele leben könnten: Ich verhalte mich auf eine gewisse Weise und werde dafür belohnt. So kennen wir das.
Was wäre aber, wenn es nicht Blumensträuße, Massagen und Kuchen für die Treue gäbe, sondern einen Laubbläser oder eine Diagnosewaage, eine Wetterstation oder eine Auflaufform? Irgendwie käme man sich da doch wie auf diesen Kaffeefahrten mit Verkaufsveranstaltung vor, auf alle Fälle verschaukelt. Ich bin doch nicht treu für eine bescheuerte Diagnosewaage! Wie unromantisch ist das denn bitte? Sind viele von uns aber eben doch. Man braucht sich nur mal den Prämienshop der DeutschlandCard GmbH anzuschauen. Da werden Träume wahr!
Und genau wie die Partnerbindung bringt auch die Kundenbindung manch Überraschendes mit sich: Nach einiger Zeit weiß der Partner oft mehr über uns als wir selbst – in der Sozialpsychologie ist dann die Rede vom „blinden Fleck“. Das sind Informationen, die wir aussenden und von anderen aufgenommen werden, aber die uns selbst überhaupt nicht bewusst sind. Bekanntlich sehen wir die Schwächen unserer Mitmenschen sofort, während wir selbst keine haben. Und genau da, kann ein Außenstehender prima ansetzen. So funktioniert übrigens das beliebte Spiel „ärgern und provozieren in der Partnerschaft“. Und auf diese Weise können Firmen auch eine Menge Geld verdienen, denn unser Konsumverhalten ist quasi die Spielwiese unseres Unbewussten. Apropos unbewusst: Haben Sie heute schon eine Banane gekauft? Oder eine Salatgurke?
Gucken Sie eigentlich auch immer in fremde Einkaufswägen, nur um Urteile über Menschen zu fällen, die Sie überhaupt nicht kennen? Ich mach das unheimlich gerne und fühle mich dabei stets großartig. Was für Quatsch doch gekauft wird! Nicht von mir, aber von den anderen. Fünf Flaschen Wodka, zehn Liter Milch und drei Packungen Streichwurst in Bärchenform. Was sagt das über einen Menschen aus? Ich hab doch keine Ahnung, aber ich mag jedenfalls nix davon. Was ich darüber denke, spielt auch überhaupt keine Rolle. Da gibt es deutlich machtvollere Instanzen.
An der Kasse kommt schließlich die alles entscheidende (meist unvollständige) Frage: „Haben Sie DeutschlandCard?“ (Netto), „Haben Sie Lidl-Plus-App?“ (Lidl), „Payback-Karte?“ (DM) oder „Sammeln Sie die Punkte?“ (REWE).
Nein, ich habe keine Kundenkarte und sammele auch keine Treuepunkte. Ich brauche keinen Laubbläser und keine Diagnosewaage. Ich will einfach nur guten Gewissens Gurken und Bananen kaufen!
Die Rabatte, die uns versprochen werden, lohnen sich sowieso hinten und vorne nicht. Es geht dabei meistens um etwa 0,5 Prozent. Statt 10 Euro nur 9,95 zahlen – satte Rabatte sehen anders aus. Bedenkt man zusätzlich, dass wir in unserer Punktesammelwut aufhören, Preise zu vergleichen, zahlen wir sogar oft drauf, statt zu sparen. Das ist so, wie wenn man bei einem Partner bleibt, der sich immer total nett entschuldigt, nachdem er einen fertiggemacht hat, statt sich nach einem Partner umzugucken, der das mit dem Fertigmachen gleich ganz bleiben lässt. Aber Entschuldigungen zu sammeln, macht vielleicht manchen auch Spaß.
Und dann geht es natürlich vor allem auch um Datenschutz, den wir völlig aus den Augen verlieren. Klingt ja schon so öde. Aber Größe und Zusammensetzung Ihres Haushalts, Beruf, Kaufkraft, Gesundheitszustand – sind das Dinge, die einen großen Konzern, der mit Laubbläsern und 0,5 Prozent Rabatt lockt, wirklich etwas angehen? Würden Sie vor einem Arzt die Hosen runterlassen, der Ihnen verspricht, ihnen dafür Ihre Daumennägel zu bemalen? Lohnt sich das echt?
Was beiden Seiten etwas bringt und den blinden Fleck aus dem Spiel lässt, sind Treuekarten, die Bäckereien, Cafés und andere Einzelhändler anbieten: Anonyme Kärtchen, auf die man Sticker kleben oder Stempel drücken kann, um nach neun Kaffee einen gratis zu bekommen. Da zahlt man manchmal vielleicht auch drauf, aber wenigstens bleibt die Hose oben.
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