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© Bildagentur PantherMedia / Barna Tanko
Was das Erregungslevel angeht, ist es im Moment in etwa so als wäre Fußballweltmeisterschaft und Deutschland dauernd im Endspiel. Der Finalgegner heißt Corona. Es herrscht Ausnahmezustand. Die Zahl der Infizierten steigt, da kommt ein Pass von Drosten, dem stärksten Virologen im Sturm – und jaaa, der Schnelltest ist daaaa! Olé, olé, olé, bald kommt die Impfung, olé!
Unser Fokus ist derzeit auf ein Virus gerichtet, das Angst macht. Nur ist Panik – also Erregung – nicht die beste Art, mit dem Problem umzugehen. In Gefahrensituationen erzielt man das beste Ergebnis mit einer optimistisch-realistischen Herangehensweise. Astronauten erlernen den optimistischen Realismus, bevor sie ins All fliegen, damit sie bei auftretenden Problemen – die in den Weiten des Weltraums sehr schnell lebensbedrohlich werden – nicht wie ein Affe auf Crack, sondern wie ein Schachmeister handeln. Der Unterschied ist folgender: Der Crackaffe agiert völlig kopflos, vergisst alles um sich herum, fixiert sich auf sein Spiegelbild im Trinknapf, dreht völlig durch und verdurstet jämmerlich, weil er sich plötzlich vor seinem Trinknapf fürchtet. Der Schachmeister behält den Überblick, handelt überlegt und macht sich nicht aus Angst vor dem Verlieren völlig verrückt, sondern glaubt an seine real vorhandenen Fähigkeiten, die ihm dabei helfen können, zu gewinnen.
Im Moment verhalten wir uns gerne wie Crackäffchen, weil das irgendwie auch geil ist – wie Deutschland im Finale eben. Stell dir vor, es grassiert eine Seuche und keiner dreht durch! Aber dadurch verlieren wir Dinge aus dem Blick, die auch wichtig sind. Zum Beispiel, dass das Nachbarhaus gerade ein bisschen brennt und wir die Feuerwehr rufen könnten. Oder, dass Datenschutz auch wichtig ist, wenn wir im Homeoffice arbeiten. Nur weil wir beim Meeting keine Hose mehr tragen müssen, heißt das noch lange nicht, dass ein professioneller Kontext plötzlich Privatsache wird.
FAKE-NEWS-SPARSAMKEIT IST FAST SO TOLL WIE DATENSPARSAMKEIT
Die allgemeine Panik greift mittlerweile auch auf berufliche Belange über. Fake News zum Thema Corona gibt es schon in rauen Mengen. Die Abschätzung der Verlässlichkeit einer Quelle und eine vernünftige Recherche schaffen hier Abhilfe. Aber was ist, wenn die schöne neue Homeoffice-Arbeitswelt durch Meldungen wie diese ins Wanken gebracht wird: „Everyone working remotely: ZOOM monitors the activity on your computer and collects data on the programs running and captures which window you have focus on. If you manage the calls, you can monitor what programs users on the call are running as well. It’s fucked up.“ Dies twitterte ein User vor einigen Tagen. Ich nutze selbst Zoom, u.a. an meiner Hochschule. Es ist ein tolles Tool für Videokonferenzen. Als ich den Tweet las, lief es mir erstmal eiskalt den Rücken hinunter. Hatte unser Prof uns etwa direkt einer Datenkrake zum Fraß vorgeworfen? Und das in der Informatik! Ich guckte mir die Datenschutzerklärung an und recherchierte ein bisschen im Netz. Kurz: Der Ersteller des Tweets hat wohl etwas gründlich missverstanden. Es gibt eine Funktion, die es dem Veranstalter eines Meetings (dem Host) ermöglicht, die Teilnehmer zu überwachen. Auf diese Weise könnte ein Arbeitgeber zum Beispiel gucken, ob seine Mitarbeiter bei der Sache sind oder gerade ein Onlinegame zocken. In einem Meeting im Reallife kommt es schließlich auch nicht so gut, wenn man nebenbei ein Buch liest. Natürlich sollten die Meeting-Teilnehmer auch wissen, dass darauf geachtet wird. Zoom ist ein Tool aus den USA und damit sicher nicht die Krönung der Datensparsamkeit, aber die Verwendung ist DSGVO-konform. In puncto Datenschutz kann der User auch eine Menge Einstellungen vornehmen.
Horrormeldungen, die nicht einmal hinterfragt werden (der Beitrag wurde knapp 15.000 Mal retweeted) sind in keiner Weise hilfreich und führen nur zu einer zusätzlichen Verunsicherung, die wir keineswegs brauchen können.
Was wir im Moment brauchen, ist die Verlässlichkeit der Dinge, mit denen wir auch sonst schon vertraut sind. Und dazu gehört eben auch der (hoffentlich gewohnte) Datenschutz.
Wir sollten uns deshalb immer die Frage stellen: Wenn jetzt keine Coronakrise herrschen würde, würde ich das dann auch machen? Würde ich zum Beispiel als Arzt Gesundheitsdaten per WhatsApp verschicken? Lautet die Antwort „ja klar!“, sollte zur Absicherung eine zweite, hoffentlich in dem gefragten Bereich kompetente Person befragt werden. Lautet die Antwort „nein, ich bin doch nicht bescheuert!“, kann man sich die Befragung einer weiteren Person sparen und nach besseren Alternativen Ausschau halten. Bei Bedarf immer einen Datenschutzkundigen zurate ziehen. Eigentlich ist alles wie sonst, nur ohne Hose…
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