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Corona hat uns immer noch fest im Griff und mittlerweile haben wir eine Technologie in Aussicht, die uns zu mehr Bewegungsfreiheit verhelfen könnte, da mit ihrer Hilfe die Nachverfolgung von Infektionsketten ermöglicht werden soll. Die etwas sperrige Bezeichnung für das Konzept lautet: „Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing“, zu Deutsch: “gesamteuropäisches Privatsphäre erhaltendes Begegnungs-Nachverfolgen”, kurz: PEPP-PT. Wer das ohne Zungenstolpern aussprechen kann, gilt heute schon als Virologe oder medizinischer Informatiker – zumindest, was Meinungsbildung in sozialen Netzwerken angeht.
Das Prinzip des Tracings lässt sich relativ leicht erklären: Lieschen Radieschen hat ein Smartphone mit hundsgewöhnlichem Betriebssystem (Android oder iOS) und die PEPP-PT-App darauf installiert (dazu später mehr). Die Ausgangsbeschränkungen sind mittlerweile weitgehend gelockert und jeder darf sich wieder frei bewegen. Nun hat Lieschen Lust auf ein Bierchen mit ihrer Freundin Petra Paprika. Sie fährt mit dem Bus zum Café, weil sie ja mit einem Bierchen intus nicht Auto fahren will. Im Bus hockt sich Mario Magerquark in ihre Nähe, weil er Lieschen Radieschen voll gut findet. Bevor sie ihre Freundin trifft, geht Lieschen noch schnell in den Supermarkt, weil sie noch eine Packung Cheddar braucht (kein Klopier – darüber sollte man die nächsten 4.000 Jahre keine Witze mehr machen, weil einfach genug vorhanden sind…). An der Kasse steht sie geschlagene 20 Minuten an und die Dame hinter ihr nimmt das mit dem Sicherheitsabstand voll nicht ernst. Als Lieschen endlich im Café ankommt, sitzt neben Petra noch ein Typ, den sie während der Ausgangsbeschränkungen online kennengelernt hat. Vier Bierchen später fährt Lieschen heim. Ihr ist ganz komisch. Klar, vier Bierchen eben. Aber am nächsten Tag wird’s nicht besser. Hat sie etwa Corona getrunken? Lieschen kriegt auch noch Halsweh und Husten. Auwehzwick! Ein Coronatest wird gemacht und fällt positiv aus. Und weil Lieschen brav ihr Bluetooth aktiviert hatte und die PEPP-PT-App nutzt, können jetzt alle, die ihr in letzter Zeit näher als zwei Meter gekommen sind und die App ebenfalls nutzen (bei aktiviertem Bluetooth) gewarnt werden. Die Dame im Supermarkt, Mario, Petra und der Typ, der sich mittlerweile als Schwachkopf erwiesen und deshalb keinen Kontakt mehr zu Petra hat, können sich ebenfalls testen lassen und in Quarantäne gehen. Und zack, kann die Infektionskette relativ lückenlos nachverfolgt und hoffentlich unterbrochen werden, wenn – ja wenn alle die App richtig nutzen und sich testen lassen…
Das Gute daran: Tracing ist nicht Tracking. Es werden keine Bewegungsprofile (GPS-Tracking) erstellt und die Daten werden erstmal nur auf den Smartphones gespeichert. Die Smartphones orten sich via Bluetooth (Bluetooth Low Energy/ BLE) gegenseitig. Es werden auch keine Mobilfunkdaten übermittelt, sondern nur eigens angelegte IDs, die bei Bedarf dabei helfen sollen, Kontaktpersonen, die sich länger als 15 Minuten in einem Umkreis von zwei Metern oder weniger rund um den Infizierten aufgehalten haben, ausfindig zu machen. Die Beacon-Technologie, deren Nutzung u.a. in Läden angedacht war, um Kunden via BLE auf aktuelle Angebote aufmerksam zu machen, funktioniert nach dem gleichen Prinzip, nur bekommt man eben hier eine Warnung vor einer potenziell sehr gefährlichen Krankheit und keine Werbung übermittelt. Leute ohne Smartphones könnten mit Bluetooth-Tokens übrigens ebenfalls mitmachen. Natürlich hat das Ganze auch Schwächen: Wer sich z.B. nicht als infiziert meldet, obwohl er von seiner Infektion weiß, die App aber nur nutzen möchte, um selbst gewarnt zu werden (Stichwort: „Haha, ich bin ein Psychopath!“), trägt natürlich auch nicht zur Aufklärung und Unterbrechung einer Infektionskette bei. Auch Nutzer, die Bluetooth deaktiviert oder das Smartphone abgeschaltet haben, können natürlich nicht getracet werden. Aber richtig angewendet, wäre es natürlich eine tolle Sache und sogar DSGVO-konform – im Gegensatz zum Vorgehen in Südkorea. Dort wird hemmungslos getrackt.

DIE LEOPOLDINA WILL MEHR, ABER WER NIMMT DIE EIGENTLICH NOCH ERNST ODER JÜRGEN ODER THOMAS?

Die nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina hat in den vergangenen Tagen öfter von sich reden gemacht, weil dieses Gremium u.a. die Regierung in puncto weiteres Vorgehen in der Corona-Krise berät. Leopoldina, das sind älteren Herrschaften, die Grundschülern und Kindergartenkindern Disziplin wie anno dunnemals zugetraut und mehr Männer namens Jürgen oder Thomas als Frauen in der Elfenbeinturm-WG haben. Immerhin ist auch ein Mann drin, der Mitte der 70er Informatik studiert hat und übrigens Thomas heißt. Das ermächtigt die Runde wohl zu mehr oder minder qualifizierten Aussagen zum Thema. Das klingt dann so: „Angesichts der Erfahrung der derzeitigen Pandemie sollten auf europäischer Ebene die Datenschutzregelungen für Ausnahmesituationen überprüft und ggfs. mittelfristig angepasst werden. Dabei sollte die Nutzung von freiwillig bereit gestellten personalisierten Daten, wie beispielsweise Bewegungsprofile (GPS-Daten) in Kombination mit Contact-Tracing in der gegenwärtigen Krisensituation ermöglicht werden.“ (aus der Stellungnahme vom 13. April). Die Leopoldina will also doch tracken, getreu dem Motto: „Viel hilft viel!“ Und wenn man schon so herrlich Daten sammeln kann, dann auch richtig!
Ulrich Kelber, der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, sieht dies aus naheliegenden Gründen kritisch. Genau wie die Pflichtinstallation, die ebenfalls diskutiert wird. Es gibt Vorschläge, die App beim nächsten Update automatisch zu installieren, wobei auch eine Opt-in-Lösung (Einwilligung vor der Installation wird erfragt und nur bei ausdrücklicher Zustimmung wird die App auch installiert) oder ein Opt-out-Verfahren (Widerspruchslösung) zur Debatte standen. Kelber hält allein schon die ernsthafte Diskussion einer Pflichtinstallation für gefährlich, da sie zu einem Vertrauensverlust bei all jenen führen könne, die die App freiwillig installieren würden.
Wer dann mit Reaktanz reagiert und Bluetooth deaktiviert oder das Smartphone zeitweise ganz ausschaltet, könnte dann den Nutzen der App bewusst untergraben.
Eine absolut sichere Nachverfolgung von Infektionsketten kann es aber ohnehin nicht geben, da etwa 50 Millionen Menschen die App zuverlässig nutzen müssten, um die Ausbreitung des Virus effektiv einzudämmen – bei 60 Millionen Smartphones im Land, wovon einige schon zu antiquiert für die Nutzung der App wären, wäre das schon ein enormer Anteil. Es gibt deshalb sogar schon Vorschläge, die User mit Steuergutschriften zu ködern.
Gerne verwechselt wird die PEPP-PT-App übrigens mit der bereits in Anwendung befindlichen Datenspende-App des RKI. Aber das ist eine ganz andere Geschichte, die ein anderes Mal erzählt werden soll…

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